"Vielleicht liegen die größten Hindernisse in der Art, wie wir Ressourcen verteilen."

08. Juli 2025

Liebe Mieze Katz, du bist seit vielen Jahren als Musikerin aktiv. Wie hat sich aus deiner Sicht die Gleichstellung von Frauen in der Musikszene entwickelt, und wo gibt es noch große Herausforderungen?

Die Gleichstellung von Frauen im Musikbiz war so lange so selbstverständlich überhaupt gar kein Thema, dass sich auch an diesem Beispiel – einmal mehr – sehr gut erkennen lässt, aus was für einer »Normalität« unsere Gesellschaft verschiedene Ungerechtigkeiten einfach als gegeben hingenommen hat, beziehungsweise immer noch hinnimmt. Genau so funktioniert strukturelle Benachteiligung. Die Herausforderung besteht darin, diese »Normalität« weiterhin infrage zu stellen und klarzumachen, dass Ungerechtigkeit keine Normalität sein darf. Chancengleichheit bedeutet nicht Gleichschaltung – im Gegenteil: Wenn es mehr Durchlässigkeit und bessere und faire Möglichkeiten für alle gibt, wird’s vielfältiger.

Frauen sind in der Musikbranche immer noch unterrepräsentiert – sei es auf großen Bühnen, hinter den Kulissen oder in Entscheidungspositionen. Welche Erfahrungen hast du selbst gemacht, und was muss sich ändern, damit sich das nachhaltig verbessert?

Ich habe – wie schon erwähnt – die Erfahrung gemacht, dass die Ungleichheit als Gesetzmäßigkeit und damit auch als selbstverständlich und legitim akzeptiert wird. Deshalb hat es geholfen, mich mit anderen Künstler:innen über meine Wahrnehmung und mein Selbstverständnis als Musikschaffende auszutauschen und in gemeinsame Aktionen zu kommen. So habe ich erlebt, was möglich ist, wenn ich für mich Verantwortung übernehme, und konnte damit vielleicht auch über das eigene Spielfeld hinaus ein Zeichen setzen.

Dein erstes Soloalbum »dafür oder dagegen« ist ein Female-Empowerment-Projekt mit Duetten. Was hat dich dazu inspiriert, genau dieses Konzept zu wählen, und welche Botschaft möchtest du damit transportieren?

Ein großer Teil der Inspiration kam sicherlich aus meiner Erfahrungswelt als einzige Frau in der Band MiA. In unseren über zwanzig Jahren Bandgeschichte gab es zwar von Anfang an Frauen im Team, aber letztlich waren wir dann doch immer die Ausnahmen in einem absolut männlich dominierten Umfeld. Die Botschaft von »dafür oder dagegen« ist wie eine Notiz an mich selbst – in Bewegung bleiben, Begegnungen suchen, andere Menschen, andere Kontexte erleben und aus diesen Gemeinsamkeiten und Unterschieden etwas erfahren. Ich wollte all diese Menschen unter dem Dach dieses Albums versammeln, um sie kennenzulernen, sie in ihrem schöpferischen Flow zu erleben und mit ihnen Zeit zu verbringen.

Du hast für dein Album mit verschiedenen Musiker:innen zusammengearbeitet. Gab es Begegnungen oder Momente, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Mit der Arbeit an meinem Soloalbum verbinde ich so viele tolle Moment, dass es mir echt schwerfällt, einzelne Episoden in den Vordergrund zu stellen, aber dass es geklappt hat, gemeinsam mit Eva von Juli einen Song für dieses Projekt zu singen, ist immer noch eine riesengroße Freude für mich. Eva hat sofort zugesagt, weil sie das Demo von »HellSehen« mochte, dieser Song war dann auch die erste Single und der Kick-off für das Album. Dass all das passiert ist, nachdem wir uns schon fast zwanzig Jahre kennen, macht mir immer noch Gänsehaut.

Miezekatz Sängerin der Band Mia lehnend an der Wand

Musik wird oft eine gesellschaftsverändernde Kraft zugeschrieben. Glaubst du, dass Musik wirklich etwas verändern kann, oder bleibt sie oft »nur« eine schöne Begleiterin im Alltag?

Musik hat für mich so viel verändert, dass ich an diese universelle Power glaube – egal ob als schöne Begleitung im Alltag oder als Soundtrack für die ganz großen Bewegungen im Leben.

Auf deinem Soloalbum erwähnst du die Kraft des »HellSehens«, eine optimistische Perspektive. Wie gelingt es dir persönlich, trotz der Zumutungen unserer Zeit positiv zu bleiben?

In »HellSehen« werde ich ja »gerettet«. Durch eine andere Person. Klar, manchmal raffe ich mich auf, aber genauso erlaube ich mir auch, schwach zu sein. Und wie in »HellSehen« schon besungen, hat meine Perspektive sehr viel mit den Menschen um mich herum zu tun. Letztlich ist »HellSehen« die Ermutigung, mit der eigenen Dunkelheit und Schwere nicht allein zu bleiben.

Wie gehst du mit dieser Rolle um, und gibt es einen Rat, den du deinem jüngeren Ich oder jungen Künstler:innen heute geben würdest?

Mir ist klar, dass Reichweite dazu da sein kann, die Aufmerksamkeit dorthin zu lenken, wo mehr Aufmerksamkeit gebraucht wird. Diesen Zusammenhang habe ich als Einzelperson, aber vor allem auch als Teil von MiA. in den letzten Jahren immer wieder genutzt, um zu unterstützen und etwas auf den Weg zu bringen. Und wenn es um einen Rat geht, würde ich gern Folgendes aufgreifen: Ich habe in letzter Zeit viele seriöse Beiträge darüber gelesen, dass es immer weniger erfolgreiche Bands gibt. Soloacts sind einfach lukrativer, leichter zu bearbeiten, kommunikativ besser greifbar und insgesamt viel stressfreier als Bands. Und ja, ich hab gerade ein Soloalbum veröffentlicht und hier in diesem Interview ganz viele Dinge in meinem Namen vermittelt, aber ich würde gern nochmal zu meinen Worten von vorhin zurückkommen: Trotz aller Individualität und Selbstbehauptungsambition habe ich als Musikerin einer Band erlebt, was es bedeutet, sich einzubringen, zuzuhören, Kompromisse zu machen, sich auf eine gemeinsame Vision einzulassen und für eine Gruppe Verantwortung zu übernehmen. Dieses Erleben und Erlernen hört nie auf und ist manchmal krass anstrengend, aber es lohnt sich! Also: Geht euch nicht aus dem Weg, seid neugierig aufeinander, lernt zu streiten und zu harmonieren, UND GRÜNDET EINE BAND!!!

Im Sommer bist du mit MiA. auf zahlreichen Open-Air-Bühnen unterwegs, euer Auftritt beim Schaffarei Festival in Feldkirch bildet das Grande Finale. Was macht diese Art von Konzerten für dich besonders, und worauf darf sich das Publikum freuen?

Erstens: Festivals sind toll, weil die Erwartungen anders verteilt sind als bei unseren »eigenen« Konzerten. Zweitens waren wir ewig nicht in Vorarlberg, und drittens ist so ein Saisonfinale immer was ganz Besonderes. Also bringen wir alle alten und neuen Lieblingslieder mit und lassen es krachen!