
„Man muss reisen, um zu lernen“, soll Mark Twain gesagt haben. Es hätte aber auch Oliver Loacker sein können.
Nicht nur, weil er im Reisebüro seiner Familie die Welt gesehen hat. Sein gesamtes Arbeitsleben gleicht einer Rundreise durch unterschiedliche Branchen und Berufe. Warum er schlussendlich bei einer Versicherung angekommen ist und was er auf dem Weg gelernt hat, hat er, gespickt mit vielen amüsanten Anekdoten, bei den ArbeitsLebensGeschichten im September 2025 in der Schaffarei erzählt.
Wer schon öfter bei den ArbeitsLebensGeschichten war, weiß: Hier geht es um Karrierewege, die früher oder später eine unerwartete Richtung eingeschlagen haben. Einmal, vielleicht auch zweimal. Bei Oliver Loacker war das ein wenig anders.
Neun Stationen zählt sein beruflicher Werdegang, bevor er in seinem heutigen Job ein Ziel erreicht hat, das er so nie im Sinn hatte. Auf seinem Weg hat Oliver sich oft vom Zufall leiten lassen und mehr als einmal Gelegenheiten ergriffen, die sich geboten haben. Das war manchmal gut, manchmal weniger.
Doch jede Station hat ihm etwas mit auf den Weg gegeben – und wenn es nur ein gutes Stück Lebenserfahrung war.
Alle hundert Meter verändert sich die Welt
Roberto Bolaño
Als Sohn eines Geschäftsführers steigt Oliver Loacker mit Anfang Zwanzig in das Reisebüro der Familie Loacker ein. Um im Unternehmen tätig sein zu können, gilt für ihn dasselbe wie für alle anderen Nachkommen: Eine abgeschlossene Ausbildung, eine Fremdsprache und Auslandserfahrung sind Pflicht.
Eine Ausbildung hat der gelernte Fotokaufmann und die beiden anderen Voraussetzungen holt er sich „on the job“. Er geht für das Unternehmen nach Moskau. Dort ist er vor Ort Ansprechperson für Jagdreisende – und wenn er nicht gerade seine Gäste in die entlegensten Jagdgebiete vom Kaukasus bis nach Sibirien begleitet, lernt er Russisch. Bei diesem Job kann Oliver seine Talente voll einbringen: Er kann gut mit Leuten umgehen. Nicht nur mit den Gästen, sondern auch mit den Menschen vor Ort. Dementsprechend gut läuft es und Oliver erlebt so viele Abenteuer, „dass es für ein ganzes Leben reicht.“
So auf seine Zukunft im Unternehmen vorbereitet kehrt er nach einem Jahr nach Vorarlberg zurück und übernimmt die Gesamtverantwortung für die Jagdreisen, ist zuständig für die Planung und Ausführung. Das Angebot wächst, von Russland bis nach Südafrika und von Kanada bis Neuseeland kommt Oliver in Winkel dieser Welt, in denen, wie er sagt, „vor mir sicher noch kein Vorarlberger gewesen ist“. Einige Jahre macht er den Job sehr gerne, doch irgendwann möchte er nicht mehr fast die Hälfte des Jahres unterwegs sein.

Nur wer umherschweift, findet neue Wege
Norwegisches Sprichwort
Er möchte einen Job mit mehr Kontinuität – und versucht sich um die Jahrtausendwende als Druckvorstufentechniker. Ein gewagter Sprung möchte man meinen, doch für Oliver zu der Zeit genauso nachvollziehbar wie richtig. Er kennt sich aus mit Quark Xpress, damals State of the Art unter den Grafikprogrammen, und mit Druckvorbereitung. Schließlich hat er sämtliche Reisekataloge und Inserate in den letzten Jahren selbst gestaltet.
Lange jedoch dauert der Ausflug nicht. Bereits eineinhalb Jahre später, kehrt er ins Familienunternehmen zurück. Dieses Mal ist er verantwortlich für alle Reisebüro-Filialen, samt Marketing, Personal und Budget, und erhält schließlich die Prokura. Doch nicht alle haben den Eindruck, Oliver hätte das aus eigener Kraft erreicht.

Nicht alle, die wandern sind verloren
JRR Tolkien
Als es im Unternehmen schließlich um die Nachfolge in der Geschäftsführung geht, gibt es mehrere Assessments, bei denen geklärt werden soll, wer die Geschäftsführung übernehmen soll. Das Ergebnis ist stets dasselbe: Oliver Loacker.
Doch es kommt zu Differenzen unter der ausscheidenden Generation. Der Kompromiss, der dabei herauskommt, ist keiner, den Oliver eingehen will. Also verlässt er das Unternehmen erneut – mit der Konzession und den Plänen für ein eigenes Online-Reisebüro in der Tasche.
2008 ist die Idee am Puls der Zeit, doch die Programmierung der Buchungsplattform verzögert sich immer wieder. Und obwohl Oliver als zweites Standbein Wien-Wochen für Schulen in ganz Vorarlberg und Tirol organisiert, reichen die Rücklagen nicht aus, um die Verzögerungen zu überbrücken.
Oliver trifft eine schwere Entscheidung: Er wird das junge Unternehmen liquidieren. Was er jetzt dringend braucht, ist ein sicheres Einkommen, denn seine Familie hat inzwischen Zuwachs bekommen und auch ein Haus hat der junge Vater gebaut. Da kommt ihm ein Angebot vom Weekend Magazin gerade recht, denn hier wird dringend ein Sales Manager im Anzeigenverkauf gesucht – und reden, das kann Oliver.

Doch es stellt sich schnell heraus: Verkaufen? Ja. Anzeigen verkaufen? Nein.
Als sich über einen Bekannten die Gelegenheit bietet, für eine Druckerei in der Schweiz einen Markt zu erschließen, greift Oliver zu. Hier laufen die Dinge zunächst ganz gut, auch finanziell – bis sich herausstellt, dass jeder Fehler, der in der Druckerei passiert auch Auswirkungen auf seine Provision hat. Eine Weile schaut er zu, doch irgendwann will er das nicht mehr tolerieren.
Als er hört, dass ein Bekannter aus seiner Zeit im Reisegeschäft eine Fluglinie am Bodensee gegründet hat, schaut er sich die Website an und findet ein interessantes Stellenangebot als Head of Sales. Die Stimmen seiner Jugendfreunde noch immer im Ohr, will er aber keinesfalls seine Kontakte spielen lassen, um an den Job zu kommen. Er bewirbt sich auf dem klassischen Weg für die Position – und wird eingestellt.
Abenteuer sind erstrebenswert
Aristoteles
Die Zeit bei der Airline hätte das Potenzial zur Endstation im besten Sinne gehabt. Hier ist der inzwischen 41-Jährige ganz in seinem Element. Seine Initiativen tragen wesentlich dazu bei, dass die Fluglinie auf wirtschaftlich soliden Beinen steht. Auch das Betriebsklima ist gut, schlussendlich fängt sogar Olivers Frau Andrea im selben Unternehmen in der Buchhaltung an.
Dass Olivers Airline-Ära dennoch gut vier Jahre später mit einer Bruchlandung endet, liegt an einem Wechsel in der Geschäftsführung. Mit seinem neuen Chef kann Oliver so gar nichts anfangen. Also muss er aufhören.

Die nächste Station ist derart unspektakulär, dass sogar Oliver selbst sich nicht spontan daran erinnert. Dabei ist dies sein erster Kontakt mit der Versicherungsbranche.
Seine Aufgabe: Er sollte Reiseversicherungen verkaufen, mit Verantwortung für den gesamten Schweizer Markt. Eine Option, findet er, auch wenn er sich zu dem Zeitpunkt nichts langweiligeres vorstellen kann.
Lange dauert die Episode auch nicht, denn schnell stellt sich heraus, dass an dem Job nichts so ist, wie man es ihm versprochen hat. Statt regelmäßig von zu Hause aus zu arbeiten, ist Oliver ständig unterwegs. Das hatte er schon, das will er nicht mehr, vor allem nicht mit zwei kleinen Kindern daheim.
Doch es sollte noch einen weiteren, wie Oliver es formuliert „Griff ins Klo“ brauchen, bis er die Versicherungsbranche von einer ganz anderen Seite kennen– und, man möchte fast sagen, lieben lernt.
Wege entstehen dadurch, dass man sie geht
Franz Kafka
Nach besagtem Reinfall wird Oliver 2018 durch einen guten Freund seines Cousins auf einen Job aufmerksam, der „genau das Richtige“ für ihn sei. Jener Freund ist bei einer bundesweiten Versicherung tätig und sucht einen Nachfolger. Olivers Reaktion auf diesen Vorschlag ist, gelinde gesagt, wenig begeistert.
Trotzdem lässt er sich breitschlagen und bewirbt sich. Was das Gehalt betrifft wird man sich jedoch nicht einig. Doch einen Tipp bekommt Oliver mit auf den Weg: Er solle es doch mal bei der VLV probieren.
Sechs Bewerbungsgespräche braucht es, um die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass er sich nicht etwa für eine Führungsposition, sondern für einen „ganz normalen“ Job als Versicherungsvertreter bewirbt.
Warum? Oliver Loacker: „Ich hatte so viele Tage, an denen ich bis zu 16 Stunden und mehr gearbeitet habe. Ich hatte Verantwortung für Duzende Mitarbeitende, musste Gehaltsverhandlungen führen, Leute einstellen und entlassen, ich war in so vielen Sitzungen und auf so vielen Pflichtveranstaltungen … ich will das nicht mehr.“
Was er stattdessen will, ist ein Job, zu dem er morgens gerne hingeht, seine Arbeit gut macht, am Abend zu einer vernünftigen Uhrzeit wieder zu Hause ist – und von dem er seine Familie ernähren kann.
Der kürzeste Weg, um sich selbst zu erreichen, ist um die Welt
Herman Keyserling
Diesen Job hat er heute, samt einem Büro knapp zwei Kilometer von zu Hause entfernt. Sogar der Kund:innenstock, den er bei der Einstellung übernimmt, ist in der Kummenbergregion angesiedelt, wo auch Oliver wohnt. Ganz ohne Hürden ist der Weg zu dem Traumjob, von dem er nie geträumt hatte, aber nicht. Denn um Versicherungen verkaufen zu dürfen, braucht man eine entsprechende Ausbildung.
Also stellt sich Oliver mit 47 Jahren noch einmal einer unliebsamen Herausforderung: Er legt, aller Prüfungsangst zum Trotz, die Lehrabschlussprüfung ab. Was hilft, wie er schmunzelnd einräumt, ist, dass seine Kinder beide Einserschüler waren und er sich keine Blöße geben wollte.
Heute ist Oliver Loacker geprüfter Versicherungskaufmann – und er kann sich für sich keinen besseren Beruf vorstellen. Vielleicht auch, weil er heute reif dafür ist. Mit achtzehn, davon ist er überzeugt, hätte es ihm an der nötigen Lebenserfahrung gefehlt. Wenn er aber mit 30 gewusst hätte, wie sehr ihm dieser Job taugt, hätte er sicherlich nichts anderes mehr gemacht, vor allem wäre er nie in die Selbständigkeit gegangen.
Als Versicherungskaufmann kann er tun, was ihm Freude macht. Er ist viel mit Leuten im Gespräch, könne ein sinnvolles Produkt verkaufen und auch mal anderweitig helfen, wenn Not am Mann ist. „Es ist auch schon vorgekommen, dass ich bei einer Kundschaft eine kaputte Glühbirne gewechselt habe“, erzählt Oliver Loacker.
Seinen Job aber wird er ganz bestimmt nicht mehr wechseln. Hier wird er bleiben, bis er in Pension geht.

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