
Eigentlich wollte Günter Taucher immer eines werden: Radio- und Elektrotechniker. Oder Elektriker, als Plan B. Als vor 42 Jahren seine Lehrzeit anstand, schnupperte er einmal bei einer Metallfirma in Tisis, einmal bei der Firma Kunert in Rankweil. In beiden Betrieben konnte er sich eine Ausbildung sehr gut vorstellen. Doch dann kam die Absage von Kunert – zumindest teilweise: Man würde ihn durchaus gern als Lehrling nehmen, teilte man dem jungen Günter mit. Doch leider sei keine Stelle als Elektriker frei. Wohl aber als Strick- und Wirkwarenerzeuger. „Ganz ehrlich: Ich wusste gar nicht, was das ist“, erinnert sich der heute 57-Jährige lachend. „Aber letztlich traf ich meine Entscheidung ganz praktisch: Nach Tisis hätte ich jeden Tag über den Berg radeln müssen, zur Firma Kunert gab es einen Werksverkehr.“ Der 15-Jährige entschied sich für die Lehre, die weder sein Plan A noch sein Plan B war – doch den Grundstein für seine lebenslange Liebe zu Socken legte.


Die Liebe zu Socken wird entfacht
„Mit der Lehre begann eine unglaublich spannende Zeit“, erzählt Taucher. „Damals arbeiteten noch gut 600 Leute bei der Firma. Wir stellten Socken, Damenstrümpfe und Garne her.“ Die Gesellenprüfung mussten Lehrlinge damals noch in einer anderen Firma ablegen. In Tauchers Fall war das Wolford in Bregenz. „Ich habe dort eine eigene Maschine bekommen und sollte auf dieser ein Produkt herstellen.“ Dabei geriet der Jugendliche ganz schön ins Schwitzen: „Die Maschine funktionierte einfach nicht. Zum Glück beruhigte mich ein Techniker der Firma“, erinnert sich Taucher und lacht: „Er sagte zu mir: Mach dir keine Sorgen – diese Maschine ist eh noch nie gelaufen.“
Den Lehrabschluss machte Taucher an diesem Tag trotzdem, sogar mit Auszeichnung. „Ich habe dann noch etwa ein Jahr bei Kunert gearbeitet. In dieser Zeit zeichnete sich der Untergang der Textilbranche bereits ab: Die Firmen wurden weniger, das Personal auch.“ Doch auch wenn die Zeiten für das Textilwesen schwierig waren: Tauchers Liebe zur Branche war längst entfacht.
Kulturschocks und Planänderungen
Die nächste Station in Tauchers Arbeitsleben war die Firma Rohner – eines der bedeutendsten Textilunternehmen der Schweiz „Ich hätte nie gedacht, dass die mich nehmen“, schildert er seine Überraschung über die Zusage. Doch der Start war holprig:
„Es war ein ziemlicher Kulturschock in der Schweiz. Die Arbeit und der Umgang waren so viel strenger als ich es aus Vorarlberg kannte. Und so dachte ich mir recht schnell: Ich mach das jetzt nur ein halbes Jahr, bis zum Militärdienst.“
Günter Taucher
Doch wieder wartete eine Planänderung auf den jungen Mann: Nach dem Militärdienst kehrte Taucher zur Firma Rohner zurück. „Es hatte mir dann doch gefallen – natürlich auch finanziell. Und die Arbeit war spannend. Ich war dort zunächst Mechaniker, später für die ganze Produktion zuständig. Und auch für die Entwicklung.“ Mit letzterer war Tauchers große Leidenschaft geweckt: Produkte erfinden, deren Herstellung austüfteln – genau das fasziniert ihn bis heute.
„Die Firma gab mir die große Chance, die Produktion von neuen Sport- und Kompressionssocken für den US-Markt komplett von Null aufzubauen. Das war ein unglaublich spannendes Erlebnis.“
Günter Taucher
Seine größte (und kniffligste) Entwicklung
Wie es mit so vielen erfolgreichen Firmen ist, wurde auch Rohner irgendwann an einen Investor verkauft. Doch das sollte für Taucher nicht das Ende seiner Laufbahn bedeuten. Sein Erfindergeist war geweckt – und seine größte Entwicklung begann erst: „Das Forschungsteam Kinderfüße-Kinderschuhe Dornbirn holte mich für ein ganz neues Sockenprojekt an Bord.“ Das Ziel war es, Socken zu entwickeln, die kleinen, aber auch großen Füßen Platz geben und die Zehen nicht zusammendrücken. „Dafür muss die Socke am großen Zeh gerade nach oben verlaufen“, erklärt er. Klingt einfach, war es aber nicht: Das Team suchte bereits seit Jahren nach einer Methode, eine Socke mit kerzengerader großer Zehe zu stricken. Sie fragten Stricker aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz. Niemand fand eine Lösung. Und auch Günter Taucher verzweifelte zunächst an der Aufgabe. Er tüftelte und tüftelte – und schaffte es schließlich. Sich in ein Problem verbeißen, nicht locker lassen, bis es gelöst ist: Das ist Günter.

Die Arbeit ist sein Hobby
Wenn Taucher von seiner Arbeit erzählt, spürt man sofort: Sein ganzes Herzblut fließt hinein. „Ich gehe nicht nach Feierabend heim und denke nicht mehr daran“, sagt er.
„Ich brauche keinen Ausgleich von meiner Arbeit. Im Gegenteil: Ich beschäftige mich zuhause weiterhin mit Socken, mit Produktion, mit Entwicklung. Nicht weil ich muss. Sondern weil es mir Spaß macht.“
Günter Taucher
Ans Aufhören denkt Taucher noch lange nicht. „Solange ich gesund bin, möchte ich meine Arbeit machen.“
Wie blickt er heute auf sein Arbeitsleben als Strick- und Wirkwarenerzeuger – der er ja ursprünglich gar nicht werden wollte – zurück? „Ich finde es bis heute beeindruckend, wie viel ich miterlebt habe: von einer 100-prozentig mechanischen Produktion in meiner Lehrzeit bis zu einer fast komplett elektronischen Produktion heutzutage“, führt Taucher aus. „Heute kann man alles programmieren. Das schafft viel mehr Möglichkeiten in der Produktion, aber auch in der Produktgestaltung.“
Günter Taucher hat die goldenen Zeiten der Textilbranche miterlebt, aber auch ihren Niedergang – und wie sich ein Funke hinüber ins digitale Zeitalter rettete, der die Branche neu belebte.
Eines ist für Taucher dabei klar:
„Es hat Spaß gemacht. Nein: Es macht immer noch Spaß.“
Günter Taucher


Ausstellung im AK Foyer
Die Ausstellung des Museum des Wandels ist von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr im Foyer der AK Vorarlberg in Feldkirch geöffnet. Zu den Ausstellungsstücken zählen Abbildungen der Strickmaschinen sowie ein Videointerview.
Zu Günter Taucher ist – wie zu jeder Ausstellung – ein gedrucktes Buch im Reclam-Format erschienen. Gerne senden wir Ihnen kostenlos ein Exemplar zu.

Bildergalerie der Vernissage






















